Neue Formen des Wohnens nötig – Jahrestagung 2019
Auch Südtirol wird nicht vom demografischen Wandel verschont bleiben. Um besonders den ländlichen Raum dennoch attraktiv zu halten sowie älteren Menschen ein würdiges Altern im eigenen Dorf zu ermöglichen, wird es neue Modelle des Wohnens und Zusammenlebens brauchen, von denen auch jüngere Menschen profitieren. Auf der Jahrestagung der Plattform Land wurden heute im Sarntal interessante Beispiele vorgestellt.
Die Zahlen, die Thomas Streifeneder von der EURAC präsentierte, sind eindeutig: Jeder fünfte Bürger war 2015 über 65 Jahre alt, in nur zehn Jahren werden es bereits 25 Prozent sein. Und aufgrund einer immer höheren durchschnittlichen Lebenserwartung – jene der Frauen steigt in den nächsten Jahren um sechs Jahre, die der Männer um fünf – wird das Thema „Leben im Alter“ auch in Südtirol immer aktueller. Weitere Faktoren, wie der Klimawandel, die Mobilität oder der Wunsch älterer Menschen nach einem Leben in vertrauter Umgebung, erfordern, das Wohnen auf dem Land teilweise neu zu gestalten, waren Landesrätin Waltraud Deeg und Landesrat Arnold Schuler überzeugt. „Die Nachfrage nach neuen Wohnformen, die selbstbestimmtes Leben im Alter ermöglichen, wird zunehmen.“
Hier sieht Andreas Schatzer, Präsident der Plattform Land, auch die Gemeinden stark gefordert, die wiederum die Unterstützung des Landes brauchen. „Ebenso wichtig ist das Engagement der Bevölkerung. Besonders in kleinen Gemeinden kann dank der Ehrenamtlichen das Miteinander der Generationen positiv gestalten werden.“
Eine Möglichkeit, dem demografischen Wandel zu begegnen, ist das generationenübergreifende Leben. Ein Beispiel dafür gibt es in der Gemeinde Eichstetten in Baden-Württemberg. „Die Bevölkerung hat, mit Hilfe der Gemeinde, den Generationenvertrag übernommen“, berichtete der frühere Bürgermeister Gerhard Kiechle. Die Gemeinde habe Strukturen angekauft und engagierten Bürgern zur Verfügung gestellt, die dort Dienste für ältere Menschen anbieten. „Wir haben ein Seniorenhaus, Pflegewohngruppen, bieten Nachbarschaftshilfe oder die Tagespflege an. Dabei werden ehrenamtliche Mitarbeiter von Fachpflegekräften unterstützt.“ Ohne die aktive Beteiligung der Bevölkerung wären diese Strukturen kaum möglich. Zudem achten Gemeinde und Ehrenamtliche auf den Austausch zwischen den Generationen. „Im Seniorenhaus gibt es neben Sozialräumen, Wohnungen für betreutes Wohnen oder einer Tagespflegeeinrichtung ein integratives Cafè, Wohnungen für junge Familien und ein Geschäft. Daneben werden Grundschüler betreut. Der Kontakt zwischen Jung und Alt fördert das gegenseitige Verständnis“, so Kiechle.
In Langenfeld in Bayern steht ein preisgekröntes Mehrgenerationenhaus. „Auch wir setzen stark auf eine Daseinsvorsorge in der Hand der Gemeinde, Bürgerinnen und Bürgern. Dafür nutzen wir ausschließlich ehemals leerstehende Gebäude, die die Gemeinde erwirbt, umbaut und den Bürgern zur Verfügung stellt – für Dienste für alte, aber auch junge Menschen“, erklärte Reinhard Streng, Bürgermeister von Langenfeld. Ähnlich wie in Eichstetten hat der Kontakt zwischen den Generationen eine zentrale Bedeutung. „Wir haben einen Seniorentreff, betreute Wohngemeinschaften, eine Krabbelgruppe, ein Nachhilfeangebot für Schüler und ein Internetcafè unter einem Dach.“ Zudem konnte im Dorf ein Dorfladen und ein Wirtshaus wiedereröffnet werden. Sehr beliebt sei auch der „Mittagstisch“, wo sich ältere Menschen und Kindergartenkinder zum gemeinsamen Mittagessen treffen.
Auch in Südtirol ist der Bedarf an neuen Formen des Wohnens für alte Menschen und an zusätzlichen Altenpflegestrukturen da. Laut Moritz Schwienbacher vom Verband der Seniorenwohnheime gebe es 15.000 pflegebedürftige Personen, von denen etwa ein Drittel in Pflegeheimen betreut wird. Hier werde es bis zu tausend zusätzliche Betten brauchen. Mehr als zwei Drittel werden zu Hause gepflegt, wobei die Nachfrage nach Hauspflege und Hauskrankenpflege steigt. Mehrgenerationenhäuser könnten hier eine wertvolle Ergänzung sein, auch um pflegende Angehörige zu entlasten. Verschiedene Projekte gebe es bereits.
Um ein gutes generationenübergreifendes Wohnen am Land zu garantieren, seien viele Maßnahmen wichtig, unterstrich Landesrätin Waltraud Deeg. „Die Wohnbauförderung zählt genauso dazu wie die Raumplanung oder die Schaffung von Wohnraum für betreutes generationenübergreifendes Wohnen. Aufgabe der Politik ist es, hier die Rahmenbedingungen zu schaffen.“ Zukünftig könnte das Mehr-Generationen-Wohnen besonders gefördert werden. Welchen Bedarf es an den verschiedenen Zukunftsmodellen des Wohnens gibt, wird derzeit erhoben.
Dass das generationenübergreifende Wohnen am Land aktueller denn je ist, zeigte sich auch am großen Interesse an der Jahrestagung der Plattform Land zum Thema „Generationen – Leben und Wohnen im Dorf“.